Eine neue Sport-Modewelle ist zu uns herüber geschwappt. Sie kommt aber nicht aus den USA sondern aus Kanada.
Etwa 10 Jahre hat es gedauert bis wir von den Neuerungen im Taekwon-Do (Mitte der 80iger Jahre im Taekwon-Do Lexikon veröffentlicht) überschwemmt wurden.
Zunächst mochte man noch gar nicht glauben, was da auf dem Originalvideo des Weltverbandes, in Nord-Korea produziert, zu sehen war: Der höchste Danträger steht in einer festen, tiefen Fußstellung und demonstriert den (neuen) Fauststoß. Zwischen den Techniken federt er locker auf und ab wobei sich die Arme in einer ständig baumelnden Bewegung befinden.
Für ältere und jüngere Hasen ist das Gesehene unglaublich. Die von unterschiedlichen Meistern auf dem Video gezeigten TUL sehen doch gut aus; kontrollierte Tritte mit einem hohen Maß an Körperbeherrschung vorgeführt, sehenswerte Handtechniken werden in einem neuen Stil präsentiert. Aber die Techniken im Stand mit einer deutlichen Wippbewegung und den ständig sich bewegenden Händen…?
Zunächst macht man als Sportler erst mal so weiter wie immer und versucht, einzelne Änderungen umzusetzen in der Hoffnung und dem Bestreben, eine einheitliche Praxis des Taekwon-Do zu schaffen. Fragen nach dem Sinn und Zweck der Neuerungen (auch bei den Schülern) kommen auf.
Mit jedem internationalen Trainerseminar schwappt Welle für Welle über die Sportler. In schönen einschlägigen Beschreibungen versucht man die Technik-Änderungen zu begründen. „Der Körper des Sportlers vollzieht eine Wellenbewegung vergleichbar der Sinuskurve.“
Diese Wellenbewegung ist der zentrale Begriff der neuen Taekwon-Do Grundtechnik. Sowohl in der Bewegung als auch im Stand soll das Körpergewicht durch das Vollziehen einer Wellenbewegung optimal in die Technik eingebracht werden. Herkömmliche Kraftquellen, wie z.B. Rotationskräfte durch starke Hüftdrehung (eigentlich ist es eine Beckendrehung) oder das Prinzip der Vorspannungserzeugung innerhalb der Muskeln durch Beinstreckung bzw. vorherige Beugung aus festem Stand verlieren ihre Gültigkeit.
Die hochkomplizierte und möglicherweise ungesunde rückartige Drehung der Hüfte nach einer Ausholbewegung in Schlag- bzw. Abwehrrichtung wir abgelöst durch ein Auf—und Abbewegen des ganzen Körpers mittels Kniebeugung und –streckung bzw. Fersenanheben und –senken.
Hinzu kommen zahlreiche neue Fachbegriffe, die die alten ersetzen und das Taekwon-Do wesentlich besser theoretisch systematisieren und differenzieren. Die Theorie war bisher sowieso häufig nur ein Randgebiet. So lohnt es sich, in das neue Theoriegebäude hineinzugehen und die neue Strukturierung anzunehmen.
Der Praktiker allerdings hat Probleme. War das bisher in 10, 20 und 30 Jahren praktizierte Taekwon-Do kraftlos, uneffektiv? Dieses ständig wackelnde Auf und Ab mit dem Roboterhaften Rhythmus deckt sich so gar nicht mit der bisherigen Vorstellung von Kraft und Schnelligkeit (hierüber hat es schon immer verschiedene Meinungen und unendliche Diskussionen gegeben).
Nun bewahrheitet sich die These, daß der Danträger erneut zum Anfänger wird. Beim Versuch, die Wellenbewegung praktisch umzusetzen geraten alle Bewegungsabläufe aus den Fugen, nichts ist mehr sicher.
Der Praktiker macht jedoch auch möglicherweise eine unerwartete Erfahrung. Beim Vergleich mit älterer Literatur stellt er fest, daß viele der angeblichen Veränderungen gar nicht so neu sind, sondern nur in den letzten Jahren konsequenter gehandhabt werden. Außerdem stellt er möglicherweise fest, daß sich auch nach dem Durchlaufen aller Tul im neuen Rhythmus die alten „Leiden“ z.B. in Hüfte, Schulter und Kniegelenk weniger bemerkbar machen.
Ein Tritt zum Kopf muss auch nicht mehr „in den Himmel gehen“, sondern endet auf Augenhöhe des leicht zurückgebeugten Akteurs.
So kann man den vielen Neuerungen beim zweiten Hinsehen auch Positives abgewinnen. Unabhängig von den Lernschwierigkeiten „alter Hasen“ ist das Taekwon-Do von der Praxis her stark vereinfacht worden, so daß es als Gesundheits- und Breitensport für jeden erlernbar wird.
Bei den Trainerseminaren wird immer wieder auf das Ungesunde der alten Bewegungen hingewiesen.
So tröstet sich der Praktiker mit dem Hinweis, daß „ein ap-chagi immer noch ein ap-chagi ist“ und bleibt. Ist er es wirklich? Wird er es bleiben?
Es hofft und trainiert weiter der Dortmunder (H)yonge.
WiP