Stärken und Schwächen eines Kampfsystems …sollte jeder von der selbst ausgeübten Kampfkunst kennen. Deswegen möchte ich hier einige Stärken und Schwächen des Kampfsystems Taekwon-Do darlegen und zur Diskussion stellen.
Das System und die Ausführung der Partnerübungen im Taekwon-Do Grundsätzlich wird beim Taekwon-Do (TKD) in abgesprochene und freie Partnerübungen (Matsogi) unterschieden. Die freien Partnerübungen entsprechen dem Freikampf und sind unterteilt in Halbfrei- (eingeschränkte Wettkampfregeln) und Freikampf (den geltenden Wettkampfregeln entsprechend). Der Freikampf (freie Partnerübungen) ist ein gesondertes Thema und wird hier nicht behandelt.
Daneben gibt es noch die Selbstverteidigung (Hosinsul), die im TKD außerhalb der Partnerübungen ebenfalls extra behandelt wird. Dies geschieht vermutlich, weil sie als reale (Selbst-)Verteidigung ohne Regeln betrachtet wird. Dennoch werden die Aktionen häufig standardisiert eingeübt (z.B. festgelegte, bekannte Angriffe mit verschiedenen Variationen der Abwehr zur Auswahl). Das führte bisher häufig dazu, daß zwar ein Anspruch auf Realitätsbezogenheit von Hosinsul im Raume steht, in der Trainingspraxis dann jedoch nicht umgesetzt wird (werden kann). Diese Anforderung wäre in Konkurrenz zu reinen Selbstverteidigungssystemen bei einem Trainingsanteil für Hosinsul im TKD von ca. 10% (neben Gymnastik, Grundschule, Formen,
Freikampf, Bruchtest, Theorie, Prüfungsvorbereitung, Wettkampfvorbereitung usw.) überzogen und kaum zu leisten (es sei denn, man versteht TKD als reine Selbstverteidigung und lässt andere Disziplinen wie z.B.
Freikampf und Bruchtest außer acht). Dennoch hat Hosinsul im Trainingssystem des TKD seine Berechtigung und kann als Ergänzung der Tul gesehen werden. Alle Techniken aus den Tul (die ja ohne Partner
ausgeführt wird) können hier mit und an einem Trainingspartner erneut gezielt und etwas realistischer angewendet werden. Die Auswahl möglicher Techniken ist im TKD sowohl für Tul (zwar begrenzt aber insgesamt sehr hoch) als auch für Hosinsul (hier nahezu unbegrenzt, da auch über Tul-Techniken hinausgehend) extrem vielfältig. Bei Hosinsul entsteht immer das Problem, ob die Techniken spektakulär oder realistisch sein
sollen. Realistische Techniken lassen sich in Trainingssituationen nur begrenzt glaubhaft darstellen (wegen Verletzungsgefahr für den Partner) und die häufig gezeigten deutlichen, spektakulären Aktionen lassen sich nur bedingt in einer realen Bedrohungssituation umsetzen.
Ausgehend von den genannten Einschränkungen lassen sich SV Techniken sinnvoll in das Trainingssystem einbauen. Anwendung finden hier häufig nämlich die Aktionen, die im Freikampf verboten sind, gerade, weil
sie effektiv und gefährlich sind. Über eine angemessene Auswahl von Aktionen und Übungsweisen von Hosinsul wäre an anderer Stelle nachzudenken. Das System der abgesprochenen Partnerübungen im TKD
bleiben für die aktuelle Betrachtung noch die abgesprochenen Partnerübungen. Hierbei ist der gesamte äußere Ablauf (Angriffszeitpunkt und entsprechende Kommandos, Anzahl und Art der Verteidigungen und Ende der Übung) genau festgelegt (abgesprochen). Häufig sind sogar die Angriffe mit den zugeordneten Abwehraktionen eingeübt und werden in einer festen Reihenfolge auswendig vorgetragen. Das TKD als traditionelle, harte Kampfkunst wird hier deutlich sichtbar. Gedacht sind die Übungsarten als Annäherung an einen realen Kampf, indem man beginnend mit drei Angriffen (Sambo-Matsogi) über zwei Angriffe (Ibo-Matsogi) zu einem Angriff (Ilbo-Matsogi) der realen Angriffssituation näher kommt. Weitere Formen wie Mobum-Matsogi (Schaupartnerübungen) und Bal-Matsogi (reine Fußtechnik-Partnerübungen) dienen nur der Vervollständigung. Von Realitätsbezug kann bei diesen Übungsformen nur ganz begrenzt ausgegangen werden.
Die abgesprochenen Partnerübungen lassen sich verstehen als methodische Form und können sinnvoll sein, wenn man die Ansprüche nicht zu hoch ansetzt. In jedem Fall sind die genannten Matsogi Anwendungsbeispiele für Techniken aus den Tul. Weiterhin lassen sich ganz wichtige Elemente, Fähigkeiten für den Kampfsport gezielt (weitgehend isoliert) schulen. Dies sind u.a. Distanzgefühl, Bewegungssehen, sogenanntes Timing (Koordination der eigenen Bewegungen und Techniken mit denen eines Partners), Stressfestigkeit z.B. gegen Kampfschreie und Angriffe (jemand kommt auf mich zu mit einem Angriff) sowie gegen Kontakt (Block mit Angriffsteil bzw. möglicher Kontakt eines Gegenangriffes am Körper bzw. meines Angriffsteiles am gegnerischen Körper). Hauptziel einer solchen Art, Techniken zu üben ist es, Verletzungen zu vermeiden und dennoch kraftvoll und hart agieren zu können.
Soweit sind die methodischen Trainingsbestandteile des TKD sicherlich sinnvoll. Einige Gedanken zur konkreten Ausübungsform von Matsogi (abgesprochenen Partnerübungen) sollen dennoch Schwächen bzw. offenen Fragen aufzeigen. Die Konkreten Aktionen sind nicht zentral fest gelegt und können von den Sportlern selbst entwickelt werden. Sie werden oft von den Trainern mit den entsprechenden Vorlieben für bestimmte Techniken an die Schüler weitergegeben. Unabhängig von der Beurteilung der konkreten Technikauswahl lassen sich einige grundsätzlich Vorgaben hinterfragen. Abstand Die Abstände bei Partnerübungen sind im traditionellen System des ITF-TKD festgelegt.
Hierfür gibt es festgelegte Abmessmethoden in Abhängigkeit zum beabsichtigten Angriff (oben, Mitte, unten bzw. Hand oder Fuß). Diese starren Abmessmethoden sind so ausgefeilt (z.B. die Definition der „Maßeinheit“ „Schulterbreite“ aus dem Rückschluss der Schrittlänge bei Fauststoß in Gunnun-Sogi zu einer “ individuellen Maßeinheit Schulterbreite“ in Zentimeter), daß sich die natürlichen Unregelmäßigkeiten (z.B. unterschiedliche körperliche Proportionen) damit nicht erfassen lassen. Möglicherweise ist das Entwickeln eines eigenen Distanzgefühles basierend auf dem eigenen Körperempfinden sinnvoller und praktischer. Schließlich ist die Distanz vor der Angriffsaktion eigentlich unwesentlich. Denn, wenn der Angriff dann vorgetragen wird, muss der Angreifer sowieso entsprechend nahe und zielgerichtet herankommen und die Aktion rechtzeitig kurz
vor dem Ziel stoppen. Von da an könnten die Aktionen dann schulmäßig korrekt ablaufen, wobei individuelle Unterschiede und Besonderheiten beide Akteure zwingen, sich aufeinander einzustellen und genau von den starren Vorgaben ggf. abzuweichen. Dies schult eine Fähigkeit, die für alle Techniken mit und am Partner wichtig sind, viel besser als das Einhalten starrer, künstlicher Maßeinheiten und Bewegungsvorgaben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, daß innerhalb sinnvoller methodischer Einschränkungen bei den Partnerübungen (wie z.B. Angriffssignal des Angreifers und Bereitschaftssignal des Verteidigers, Regel des Abstoppens vor dem Ziel, Zielgerichtetheit der Abwehren und der Gegenangriffe, Koordination bzw. Anpassung an die Bewegungen des Partners) eine Individualität und Flexibilität (besonders bei den Fußstellungen und Bewegungsarten) bis hin zur Improvisation bestehen bleiben kann, ohne daß Sinn und Zweck der Übungen darunter leiden.
Position zum Angreifer
Häufig gehen Angreifer und Abwehrender gleichzeitig z.B. in Gunnun-Sogi vor bzw. zurück aus einem vorher festgelegten Abstand, der einem entsprechenden Schritt entspricht (insbesondere bei den Sambo-Matsogi und häufig bei Ibo-Matsogi). Dies führt dazu, daß der Block dort blockiert, wo der Abwehrende vor dem Rückwärtsschritt stand (also in der Luft, während der Körper schon aus dem Angriff weggegangen ist). An dieser Stelle fragt sich, warum man nach erfolgreichem Schritt trotzdem blockt, obwohl der Angriff ins Leere gehen würden (und damit seine eigenen Angriffsmöglichkeiten durch den aktiven Block hemmt). Erklären lässt sich das nur als spezielle Übungsmethode z.B. eines brechenden Blockes wobei die Distanz (bewußt? aus Sicherheitsgründen?) unrealistisch bleibt. Sinnvoller wäre entweder ein gleichzeitiger eigener Angriff oder ein Ausweichen mit unmittelbarem Gegenangriff oder ein Block seitlich vom Angriff, um danach aus günstiger Distanz schnell selbst zum Angriff übergehen zu können. Hier könnten die Partnerübungen ohne Nachteile zumindest teilweise wesentlich realistischer gestaltet werden.
Kollision mit anderen Disziplinen
Häufig ist es auch so, daß bestimmte Verhaltensweisen bei Matsogi verinnerlicht werden, die im Wettkampftraining oder bei Hosinsul wieder mühsam umgelernt werden müssen. Zum Beispiel geht der Block bei den Partnerübungen meistens dem Angriff entgegen, um ihn zu brechen, und der Körper bewegt sich der Blockrichtung entgegengesetzt. Dieses Abwehrverhalten ist im Wettkampf eher die Ausnahme, da dort brechende Blöcke die eigene Deckung zu lange entblößen.
Ein weiterer Nachteil ist das häufige Rückwärtsgehen, das im Wettkampf dazu führt, daß man selbst nur erschwert agieren und der Angreifer nachsetzen bzw. sich sogar in weitere Angriffe hineinsteigern kann und den anderen aus der Wettkampffläche drängt oder ins Straucheln bringt (was dann zu Verwarnungen führt). Ein weiterer Nachteil ist, daß die Angriffe und auch die Gegenangriffe in der Regel ins Leere gehen und der Akteur sich an eine unrealistische Distanz gewöhnt bzw. eine reale Distanz mit Kontaktmöglichkeiten wie z.B. Halbdistanz oder Nahdistanz kaum trainiert. Welche Möglichkeiten gibt es nun, die Matsogi zu gestalten, daß sie TKD-gerecht und gleichzeitig möglichst realistisch sind?
Als erstes soll der Angreifer wirklich auf eine empfindliche Körperstelle des Partners mit einem angemessenen Angriffsteil zielen und so nahe herankommen bei dem Angriff, daß er ohne Arretierung tatsächlich das Ziel treffen könnte. Ein häufiger Fehler ist, daß der Angriffsarm schon von vornherein am Ziel vorbeigeht, um den zu erwartenden Blockschmerz abzumildern oder aus falsch verstandener Rücksicht. Deswegen ist es gut, wenn der Angreifer nicht weiß, welcher Abwehraktion zu erwarten ist und sich nur auf den Angriff und das Ziel konzentriert.
Als zweites sollen die Aktionen so gewählt werden, daß ein schneller Gegenangriff möglich ist bzw. taktische Varianten angewendet werden (z.B. Hineingehen in einen Angriff mit eigenem Angriff, seitliches Ausweichen mit schneller Gegenaktion, Zuvorkommen mit eigenem Angriff). Man würde dann viel häufiger sich auch nach vorn auf einen Angriff zubewegen oder seitlich herausgehen oder sogar einfach stehen bleiben, so daß ein Angriff dann z.B. über oder neben den Körper/Kopf geht bzw. nicht voll ausgeführt werden kann. Ein Zurückgehen käme dann eher einer Ausweichbewegung gleich z.B. mit Schutzhaltung um dann selbst danach zum Angriff überzugehen mit entsprechenden Bewegungsarten (wie Sprung, Gleitbewegung, Rutschbewegung, Doppelschritt u.ä.).