Auf dem internationalen Taekwon-Do Seminar 14. Mai 2006 in Bochum hatte Wilfried Peters Gelegenheit, für den Budo-Sport-Report (BSR) ein Interview mit Choi Yung Hwa (Sohn von Choi Hong Hi) zu bekommen. Das Interview wurde auf Englisch geführt.
WiP: Meister Choi, ich freue mich darüber, heute mit Ihnen dieses Gespräch führen zu dürfen. Viele Leute in Deutschland möchten zur Zeit etwas von Ihnen erfahren über das Taekwon-Do und dessen Organisation in der Welt.
Choi: Es hat einige Ereignisse gegeben, die ich an dieser Stelle noch mal erläutern möchte. Auf dem ITF Kongress in Italien im Jahre 2000 wurde ich demokratisch und rechtmäßig zum Präsidenten der ITF gewählt. Dies geschah, weil mein Vater, Choi Hong Hi, mich als seinen Nachfolger gewünscht hat. Ich wollte jedoch nicht nur eingesetzt werden sondern tatsächlich von der Mehrheit der Taekwon-Do betreibenden Länder in der Welt gewählt werden. Dies geschah dann auch. Da mein Vater von dem Wahlausgang enttäuscht war, und doch noch nicht zurücktreten wollte, wurde entschieden, daß mein Vater für eine Übergangszeit Präsident bleiben sollte. Leider starb er vor der Amtsübergabe an mich im Jahre 2002.
Daraufhin beanspruchten mehrere Organisationen und Personen die Nachfolge. Diese Ansprüche sind jedoch meiner Meinung nach nicht rechtmäßig. In unserem Kulturkreis ist es üblich, daß die Nachfolge in der Familie stattfindet. Ich aber wurde zusätzlich auf dem Kongreß in Italien demokratisch gewählt. Die Wahlen und Ernennungen anderer Personen zum ITF Präsidenten, die später erfolgten, sind nicht auf entsprechenden satzungsmäßig demokratisch legitimierten Zusammenkünften erfolgt.
WiP: Meister Choi, Sie haben gleich die dringendsten Fragen angesprochen. Bevor wir weiter darüber sprechen habe ich auch einige persönliche Fragen. Wann haben Sie mit Kampfsport bzw. Taekwon-Do begonnen?
Choi: Vielfach hört man, ich hätte mit fünf Jahren begonnen. Sicherlich habe ich von Anfang an innerhalb der Familie immer mit Taekwon-Do zu tun gehabt. Meine ersten Erinnerungen an praktisches Taekwon-Do sind aus der Zeit, in der ich etwa sieben Jahre alt war. Ernsthaft und systematisch habe ich Taekwon-Do etwa ab dem 14 Lebensjahr betrieben, denn in dieser Zeit wurde Taekwon-Do öffentlich nicht für Kinder gelehrt.
WiP: Haben Sie auch andere Kampfsportarten außer Taekwon-Do gelernt bzw. praktiziert ?
Choi: Ja, es kamen die verschiedensten Lehrer und Meister aller traditionellen koreanischen Kampfkünste in das Haus meines Vaters. Dort kam ich auch mit deren Kampfarten und besonders mit Tang Soo Do in Berührung. Diese Lehrer haben dann in der Regel zusätzlich zu ihrer Budokunst Taekwon-Do erlernt.
WiP: Inwieweit waren Sie in die Entstehung des Taekwon-Do Lexikons einbezogen?
Choi: Unsere ganze Familie war auf die eine oder andere Art in die Entstehung des Werkes einbezogen. Zur der Zeit waren die Computer noch nicht so verbreitet so daß jeder auf seine Weise mitgeholfen hat. In unserer Familie wurde ständig über Taekwon-Do gesprochen. Als ich älter wurde habe ich dann die Philosophie, die Technik des Taekwon-Do immer besser verstanden.
WiP: Sagen Sie uns Ihre Meinung über die Teilung des Taekwon-Do.
Choi: Leider gab es eine auf politischen Ursachen basierende Teilung des Taekwon-Do in WTF und ITF. Auf diese Weise bestand die Gefahr, die Wurzeln zu verlieren. Die Wurzeln
des Taekwon-Do liegen in seinem Heimatland Südkorea. Um so glücklicher sind wir, daß die ITF sogar in Süd-Korea wieder aktiv sein kann. Die letzte Weltmeisterschaft der ITF hat in Süd-Korea stattgefunden. Das bedeutet, wir haben dem Mutterland das traditionelle Taekwon-Do wieder zurückgebracht und haben Koreaner dort in ITF-Taekwon-Do unterrichtet bzw. das ITF-Taekwon-Do dort präsentiert.. Das ist schon eine kleine Sensation.
WiP: Wir betrachten Sie als den legalen Repräsentanten des Chang Hun (Schriftstellername von Choi Hong Hi) Taekwon-Do in der Welt. Was möchten Sie den anderen in der Welt sagen, die versuchen, das Taekwon-Do für sich zu reklamieren?
Choi: Das Taekwon-Do gehört allen; wichtig ist nur, daß es entsprechend korrekt ausgeübt wird. Die Versuche, es zu vermarkten oder in Besitz zu nehmen, sind typisch für eine westliche Auffassung von der Kampfkunst. Ich praktiziere meine Kampfkunst und freue mich über jeden, der ebenfalls unser Taekwon-Do korrekt betreibt. Jedem ist es überlassen, in welcher Organisationsform er das tut. Ich hoffe, daß die Sportler wieder unter einem Dach zusammenkommen und vertraue auf die Einsicht und die Gemeinsamkeiten, die alle Taekwon-Do Sportler finden werden.
WiP: Die ITF-D hat die Zeichen und Symbole Ihres Vaters für sich in Deutschland und Europa schützen lassen. Wem gehört der Taekwon-Do-Baum und die Taekwon-Do Schildkröte?
Choi: Die Zeichen und Symbole des Taekwon-Do gehörten meinem Vater und seit seinem Tod der Familie. Er hat zu seinen Lebzeiten aus Großzügigkeit den einzelnen Ländern den Schutz innerhalb des betreffenden Landes zugestanden. Daran, daß die Rechte auch für Europa von der ITF-D beansprucht werden sieht man erneut die westliche Auffassung von diesen Dingen, das Machtstreben. In unserem Kulturkreis zählt mehr das persönliche Vertrauen besiegelt durch eine Vereinbarung zwischen Persönlichkeiten während in der westlichen Welt das Papier wichtiger ist. Ich denke, daß unserer Familie nach wie vor das Recht auf die Symbole und Zeichen des Taekwon-Do hat.
WiP: Meister Choi, bitte erläutern Sie uns das Verhältnis der ITF zur WTF.
Choi: Die ITF existiert neben der WTF in gegenseitiger Akzeptanz (sogar wieder in Süd- Korea). Die Graduierungen werden in der Regel gegenseitig anerkannt, wenn sie rechtmäßig erworben wurden nach den Regeln der jeweiligen Organisation. Die ITF ist im Vergleich zur WTF jedoch nicht stark genug, um sich gleichberechtigt z.B. als Olympiadisziplin zu etablieren. Es gibt Kontakte und gegenseitigen Respekt aber keine Vereinigung, Verschmelzung der beiden Weltorganisationen.
WiP: Berichten Sie uns bitte über Ihre Weltorganisation.
Choi: Leider haben durch die Ereignisse der letzten Jahre sich viele Meister anders orientiert. Es wurden Fehler gemacht. Wir bemühen uns nun, diese Versäumnisse wieder aufzuholen, die Meister zurückzugewinnen und unsere Organisation wieder groß zu machen. Ich bereise gezielt die Kontinente, gebe Seminare und bemühe mich um die Einheit unseres Sportes und seiner Organisation. Als nächstes werde ich den afrikanischen Kontinent besuchen.
Die Hauptsache aber ist und bleibt, die Ausübung unseres Taekwon-Do. Dies wird bei allem Streben nach Einfluß immer wieder vergessen. Ich lasse mich nicht in Machtkämpfe verwickeln, sondern freue mich über jeden, der Taekwon-Do betreibt und verbreitet.
WiP: Meister Choi, wir freuen uns, daß Sie zu diesem Seminar nach Deutschland gekommen sind und wir von Ihnen lernen können. Ich bedanke mich im Namen aller für das Interview und hoffe, daß Sie bald wieder Deutschland besuchen werden.